Ein Mann erschießt seine Schwester auf offener Straße. Arglos hat sie ihn mit einer Kaffeetasse in der Hand zur Bushaltestelle begleitet. Dreimal drückt er ab, die Kugeln treffen die junge Frau ins Gesicht. Nur wenige hundert Meter entfernt in der Wohnung der Frau schläft ihr fünfjähriger Sohn, sie wollt ihn nur kurz allein lassen. Der Junge wird von diesem Tag an niemanden mehr um sich haben, den er kennt – nicht die Mutter, nicht den Onkel, der zum Mörder wurde, nicht die Großeltern, denen die Mutter das Kind nicht mehr anvertrauen wollte. Die Schüsse in Berlin Tempelhof töten in dieser Nacht eine Frau, zerstören aber auch die Leben vieler anderer Menschen und erschüttern unser Vertrauen in den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Der Ehrenmord an Aynur Hatun Sürücü gehörte zu den aufwühlendsten Verbrechen in der jüngeren Geschichte Deutschlands. Der Mord auf offener Straße machte Schlagzeilen, der Prozess gegen drei der Brüder sorgte dafür, dass das Thema “Ehrenmord” eine zuvor nie gekannte Öffentlichkeit erlangte. Und er blieb kein Einzelfall: eine Studie des Bundeskriminalamtes geht von einem Dutzend Tötungsdelikten in Deutschland jährlich aus, die “im Kontext patriarchalisch geprägter Familienverbände” verübt werden, um Frauen für ihren (westlichen) Lebenswandel zu bestrafen.
Regie: Sherry Hormann / Drehbuch: Florian Oeller / Kamera: Judith Kaufmann / Schnitt: Bettina Böhler / Musik: Fabian Römer, Jasmin Shakeri / Ton: Rainer Gerlach / Ausstattung: Uli Friedrichs / Kostüm: Jessica Specker / Produktion: Vincent GmbH / Produzenten: Sandra Maischberger / Mit: Almilia Bagriacik, Meral Perin, Rauand Taleb, Armin Wahedi, Mürtüz Yolcu, Mehmet Atesci, Aram Arami, Merve Aksoy, Jacob Matschenz, Idil Üner
Deutschland 2019 / 90 Minuten / Dolby 5.1