Eine Liebesgeschichte: Zwei Menschen lernen einander kennen, verlieben sich ineinander, heiraten. An diesem Punkt greift der österreichische Staat ein. Zu möglichen Problemen in der Partnerschaft kommen die Probleme, die von der österreichischen Asylgesetzgebung verursacht werden. Und so endet diese Liebesgeschichte oft mit einer Trennung – weil der behördliche Druck zu stark war. Denn Anja Salomonowitz erzählt in ihrem neuen, bei der Berlinale uraufgeführten Dokumentarfilm von binationalen Paaren, von einem Alltag zwischen Deutschkursen und Hausdurchsuchungen. In einem raffiniert komponierten Mosaik fügen sich Momentaufnahmen einer Geschichte Szene um Szene zu einer durchgehenden Erzählung mit vielen ProtagonistInnen.
“Dokumentarisches Erzählen steht bei Anja Salomonowitz immer vor einem doppelten Anspruch: Ihr Erzählstil zielt zum einen darauf ab, gesellschaftspolitisch relevante Verhältnisse aufzugreifen und für unhaltbare Zustände zu sensibilisieren. Gleichzeitig geht es auch darum, die Sicht auf ein Thema durch ungewohnte Erzählstrategien zu erneuern, zu erweitern oder zu variieren. In DIE 727 TAGE OHNE KARAMO hat die Filmemacherin ihr schon bei ‘Kurz davor ist es passiert’ entwickeltes Grundkonzept, Dokumentarfilme ‘anders’ zu erzählen, weiter verfeinert. Das aus der Realität geschöpfte Material und sein emotionales Potenzial werden dabei in ein konstantes Spannungsverhältnis zueinander gesetzt. Anja Salomonowitz verweigert Betroffenen wie Betrachtern ein Mitleidskino, DIE 727 TAGE OHNE KARAMO will vor allem von Menschen erzählen, die für einen anderen Menschen kämpfen und die auf ihrem Recht bestehen, ihren Partner frei zu wählen. Daher hat die Filmemacherin auch (wie bereits in den Filmen zuvor) eine dominante Farbe in ihren Bildern gewählt: Gelb. Für Lebensmut und Kampfgeist und für den Trotz.” (Karin Schiefer)
Regie: Anja Salomonowitz / Drehbuch: Anja Salomonowitz / Kamera: Martin Putz / Schnitt: Petra Zöpnek / Musik: Bernhard Fleischmann / Ton: Hjalti Bager-Jonathansson, Lenka Mikulová, Veronika Hlawatsch / Produktion: Amour Fou Vienna / Produzenten: Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Bady Minck
Österreich 2013 / 82 Minuten / 1 : 1,85 / Dolby Digital