Lars von Triers filmisches Gesamtwerk ist zweifellos ebenso innovativ wie provokant. Sein neuestes Werk, in zwei Teilen im Kino zu sehen, wurde bereits im Vorfeld zum Skandal erklärt – ohne dass jemand auch nur Teile des Film gesehen hätte. Zum Skandal taugt NYMPH()MANIAC definitiv nicht, wohl aber zu einem Film, der nicht nur wegen seiner Thematik für reichlich Diskussionsstoff sorgen sollte. Denn Lars von Trier erweist sich einmal mehr von seiner ideenreichsten und visionärsten Seite.
Schwarze Leinwand, Geräusche von Regen. Die ersten Bilder zeigen eine Dachrinne, dann die Backsteinwände eines Innenhofs. Langsam schwenkt die Kamera auf eine hilflos am Boden liegende Frau, und dann bricht der dröhnende Beat von Rammsteins “Führe mich” unvermittelt über die Filmbilder herein.
Ein Mann mittleren Alters verlässt seine Wohnung, geht einkaufen, findet die Frau. Sie verweigert ärztliche Hilfe oder polizeilichen Beistand, und so nimmt Seligman die Frau mit zu sich nach Hause, pflegt sie. Und Joe erzählt ihm die ungewöhnliche Geschichte ihrer sexuellen Obsession. In acht Kaptiteln (fünf davon im ersten Teil) berichtet Joe von gemeinsamen “Spielen” mit ihrer Freundin, von Wetten, wer von ihnen beiden die meisten Männer während einer Zugfahrt verführen kann, von ihrer Begegnung mit ihrem späteren Ehemann, von eifersüchtigen Frauen ihrer Liebhaber, vom Tod des Vaters. Seligman fungiert dabei nicht nur als interessierter Zuhörer, sondern auch als Stichwortgeber, der Joes Erzählungen sanft kommentiert und mit reichen Bezügen zu Kunst, Musik, Literatur und Religion ausstattet.
Im Laufe der Filmhandlung erweist sich der hypnotische Charakter der ersten Einstellungen als nur eine von vielen Stimmungen, die NYMPH()MANIAC prägen. Für jede Erzählung und für die Rahmenhandlung findet Lars von Trier eine eigene, der jeweiligen Geschichte entsprechende Tonlage und verbindet gleichzeitig die unterschiedlichen Stimmungen der einzelnen Kapitel zu einem überwältigenden Ganzen.
Regie: Lars von Trier / Drehbuch: Lars von Trier / Kamera: Manuel Alberto Claro / Schnitt: Morten Højbjerg, Molly Marlene Stensgård / Ton: Kristian Eidnes Andersen, Carlos García, Andreas Hildebrandt / Ausstattung: Simone Grau, Alexander Scherer, Thorsten Sabel / Kostüm: Manon Rasmussen / Produktion: Zentropa Entertainments, Heimatfilm, Film i Väst, Slot Machine, Caviar Films, Artificial Eye, Les Films du Losange / Produzenten: Louise Vesth, Bert Hamelinck, Marianne Slot / Mit: Charlotte Gainsbourg, Stellan Skarsgård, Stacy Martin, Shia LaBeouf, Christian Slater, Uma Thurman, Connie Nielsen
Dänemark/Frankreich/Belgien/Deutschland 2013 / 122 Minuten / DF, OmU (englisch) / Cinemascope / Dolby Digital