Elfriede Jelinek über “Riefenstahl”

Der Film ist in jeder Hinsicht großartig, er zeigt die Riefenstahl, indem er sie  aus ihrem Umraum hervorstechen läßt (zweifellos genau das, was  sie immer wollte: hervorstechen!), ihr manisches Hinaufhanteln zwischen den Punkten, die sie selbst nicht versteht (was wirft man ihr da vor? Sie hat doch nichts gemacht!), weil sie sich selbst nicht versteht. Sie glaubt, was sie sagt. “Sich in die Tasche Lügen” ist eine Redensart. Die Riefenstahl hat sich gleich in ihr ganzes Leben hineingelogen, deshalb würde sie es auch “reich” nennen. So viel hat sie geleistet, sich geleistet, sogar mit schwarzen Menschen, die sie (das hat man bislang natürlich auf keinem Foto zu sehen gekriegt) die Nuba, an deren Schönheit sie sich weidet, nein die sie, für sich, weidet wie ein Tier weidet!,  die sie herumscheucht, wütend, schreiend, fuchtelnd, als würde sie über “Triumph des Willens” hinaus noch einmal triumphieren wollen. Nein, keiner konnte das ja so zeigen wie sie, sie thront über allem, wie der Reichsadler selbst. Sie kostet ihren Triumph aus, der ein Triumph der Schönheit ist, die  einem durch Geburtlichkeit gegeben wurde und auch zusteht, gegen die Schönheit gibt es keinen Einspruch, niemand wäre so blöd. Leni Riefenstahl zeigt uns, wogegen kein Einspruch möglich ist, nicht in ästhetischer Hinsicht, nicht in andrer. Keine kann es besser machen als sie. Hannah Arendt schreibt in ihr Denktagebuch: “Kant, Reflexion zur Urteilskraft, 1820: Die schönen Dinge zeigen an, daß der Mensch in die Welt passe…”

Und was nicht paßt, wird von Frau Riefenstahl passend gemacht, auch wenn man da und dort was wegschneiden und hier und dort drüben ein paar Juden und Zigeuner wegschmeißen muß. Es geht ihr ums Ganze. Und sie geht aufs Ganze. Der Schönheit weihte sie ihr Leben, dazu mußten viele andre Leben genommen werden, damit man sich  dermaßen aufwerten konnte.

Der Film stopft die Löcher im Hintergrund jetzt aus, die das Bild unscharf gemacht haben, und die bewunderte Künstlerin, die zu ihrer eigenen stummen Anbetung geworden ist, indem sie nichts weiß und nie etwas gewußt hat, indem sie das Wissen ausschließt, zumindest für sich selbst, ja, dieser Film stopft die Löcher aus, die noch da waren, und etwas tritt hervor, das jeder von uns sehen muß. Er hat nicht die Wahl, denn auch wenn jemand den Film nicht sieht, ist er da. Wenn man Lenis Kunst nicht sieht, ist sie weg. Sie ist nicht ewig, sie ist weg.

Elfriede Jelinek

RIEFENSTAHL von Andres Veiel ist in diesen Kinos zu sehen. Mehr Infos zum Film: www.filmladen.at/riefenstahl